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Ansprüche eines Erwerbers vom Bauträger einer als neu errichtet anzusehenden Immobilie richten sich nach Werkvertragsrecht mit eigenem Abnahmerecht
Zusammenfassung zum Urteil des BGH vom 12. Mai 2016 (Aktenzeichen: VII 171/16)

In dem zu entscheidenden Fall gab es für Erwerber, die nach Fertigstellung des Objektes die Wohnung gekauft haben, folgende Formulierung im Kaufvertrag:„Die Abnahme des Gemeinschaftseigentums ist durch das Ingenieurbüro K. am 25.11.2002 erfolgt. Die Verjährungsfrist für Ansprüche und Rechte wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum läuft für den Käufer zum selben Termin ab wie für diejenigen Käufer, welche die gemeinschaftliche Abnahme durchgeführt haben“.

Später sind am Gemeinschaftseigentum Mängel aufgetreten, die nur dann gegenüber dem Bauträger noch geltend gemacht werden konnten, wenn Werkvertragsrecht anwendbar war, keine Abnahme des Gewerkes vorlag und somit noch keine Verjährung der Ansprüche eingetreten ist. 

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es also um die Frage, ob ein Ersterwerber vom Bauträger gegenüber dem Bauträger Gewährleistungsansprüche nach Werkvertragsrecht oder nach Kaufvertragsrecht hat. 

Diese Frage war deshalb von Bedeutung, weil nach Werkvertragsrecht sich weiter die Frage stellt, ob eine Abnahme des Gewerkes vorliegt, die auch gegenüber dem Ersterwerber wirksam ist. Wenn nicht, und so hat der BGH letztlich hier entschieden, hat der Erwerber noch sämtliche Gewährleistungsansprüche. Und zwar sowohl betreffend seinem Sondereigentum als auch betreffend des Gemeinschaftseigentums. 

Der BGH hat die vorliegende Klausel in dem Notarvertrag unter Fortführung seiner befestigen jahrelangen Rechtsprechung als AGB angesehen und vorliegend wegen des vom BGH angenommenen Verstoßes gegen Treu und Glauben auch für unwirksam gehalten. 

Der Bundesgerichtshof hat mit dieser Entscheidung die Rechte von Immobilienerwerbern weiter gestärkt. 

Der BGH hat in Fortführung seiner Rechtsprechungstendenz weiter entscheiden, dass gegenüber dem jeweiligen Erwerber vertraglich fingierte bzw. vereinbarten Abnahmeklauseln unwirksam sind. 

Der BGH verlangt damit auch für „Nachzügler“ jeweils eine eigene Abnahme der Gewerke zwischen Bauträger und Erweber, und zwar sowohl betreffend des Sondereigentums als auch betreffend des Gemeinschaftseigentums. 

Dies hat zur Konsequenz, dass für jeden Erwerber eigenständige und damit insgesamt unterschiedliche Verjährungsfristen für die Gewerke laufen. 

Wohnungseigentümergemeinschaften können durch entsprechende Beschlussfassungen damit auch Gewährleistungsansprüche von Erwerbern an sich heranziehen und gemeinschaftlich solche Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Bauträger bzw. Aufteiler geltend machen. 

Wurde mit diesen „Nachzüglern“ keine erneute Abnahme vorgenommen, so befindet sich für diese Eigentümer das Objekt noch immer im „Erfüllungsstadium“. Für die Beteiligten, also den Bauträger, die Wohnungseigentümer und die WEG bedeutet dies, dass der Bauträger nach wie vor für sämtliche Mängel haftet, bis eine ordnungsgemäße Abnahme erfolgt ist (Beginn Anm. des Verfasser: Rechtlich noch ungeklärt ist zum jetzigen Zeitpunkt, wie lange die etwaigen Ansprüche gegenüber dem Bauträger bestehen. Auf Fortbildungsveranstaltungen wird es für möglich gehalten, dass die Haftung bis zur Abnahme zeitlich unbegrenzt besteht. Hieran dürften aber Zweifel angebracht sein, wenn das Objekt ohne Beanstandungen über einen längeren Zeitraum genutzt wird, wobei als Zeitraum nach meiner Ansicht mindestens die Dauer der Gewährleistungsfrist anzusehen sein dürfte. Ende Anm. des Verfassers.). 

Durch diese Rechtsprechung besteht für zahlreiche Bauträger und ggs. auch Aufteiler ein nicht zu unterschätzenden Risiko. 

Für Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümergemeinschaften besteht eine rechtlich große Chance, auch nach Jahren auf Kosten des Bauträgers das Gemeinschaftseigentum „renovieren“ zu lassen. 

Alle Beteiligten sollten aber wirtschaftlich beachten, dass damit für zahlreiche Bauträger und Aufteiler die Regressansprüche steigen können. Die Überprüfung von Rücklagen in der Bilanz ist ebenso dringend anzuraten, wie die Erstellung eines juristischen Projektmanagements für den Worst-Case-Fall, dass die finanziellen Belastungen für den Bauträger bzw. Aufteiler zu groß werden.


Der Autor dieses Artikels, Herr Dirk Salewski, ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht. Er ist daneben Vorstandsmitglied des WEG Verein Interessenvertretung für Wohnungseigentümer e.V.. 

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© Rechtsanwalt Dirk Salewski, Kierspe (01/2017)



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